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04-01-2022
Aufgrund angeblicher Defizite bei der Unterstützung der polnischen Diaspora in Deutschland hat der polnische Sejm die Mittel für muttersprachlichen Unterricht der in Polen als autochthone und national anerkannte deutsche Minderheit lebenden Bürger um knapp ein Fünftel gekürzt. Damit stehen aus dem polnischen Staatshaushalt 40 Millionen Zloty, knapp zehn Millionen Euro weniger für muttersprachlichen Deutschunterricht zur Verfügung. Dazu äußerte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, gleichzeitig Vertreter Deutschlands in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und Vollmitglied in den Ausschüssen für Rechtsfragen und Menschenrechte sowie für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien:
Die Deutschen in Polen sind loyale Bürger ihres Staates und haben als nationale Minderheit dort Anspruch darauf, ihre Muttersprache im staatlichen Schulsystem gefördert zu bekommen, damit diese als wesentlicher Teil ihrer kulturellen Identität erhalten bleibt. Polen hat die internationalen Regelwerke des Europarates ratifiziert. Aufgrund des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen haben die Deutschen in Polen als autochthone nationale Minderheit (wie auch die anderen nationalen Minderheiten) einen Anspruch auf diese notwendige Unterstützung.
Inakzeptabel ist zudem, dass Polen durch diese Entscheidung eigene Staatsbürger diskriminiert und benachteiligt, um außenpolitische Ziele für andere Personengruppen mit Druck zu versehen.
Unzutreffend ist darüber hinaus, dass es in Deutschland ein Angebotsdefizit für Polnischunterricht für die in Deutschland zugewanderten Polen geben soll, die in Deutschland zudem keine nationale Minderheit sind und daher auch nicht unter die Regelwerke des Europarates fallen.
Es gibt keine ungedeckte Nachfrage nach Polnischunterricht: Überall dort, wo entsprechende Nachfrage seitens polnischer Mitbewohner angemeldet wurde, haben die dafür zuständigen Länder nach den dafür geltenden Regeln und in Erfüllung der bilateralen Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von 1991) entsprechende Angebote unterbreitet und Möglichkeiten geschaffen. Dieses haben mehrere auch aktuelle Untersuchungen der Kultusministerkonferenz nach Thematisierung der Fragen am Deutsch-Polnischen Runden Tisch ergeben.
Der Vorwurf beruht zudem auf gleich zwei gravierenden Falschannahmen: In Deutschland leben keine 2,2 Millionen Polen. Die aus Polen nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungen nach dem zweiten Weltkrieg ausgewanderten ethnischen Deutschen – also etwa ausgesiedelte Schlesier oder Ostpreußen – zählen sich selbst dezidiert nicht zur „Polonia“ in Deutschland sondern sind Deutsche. Sie werden aber in polnischen Statistiken fälschlicher Weise mit vereinnahmt. Laut Mikrozensus leben zutreffend etwa 2.2 Millionen „Menschen mit polnischem Migrationshintergrund“ in Deutschland. Davon sind aber laut Bundesverwaltungsamt 1.447.251 Menschen als deutsche Aussiedler und Spätaussiedler (Stand 2018) unter ausdrücklicher Berufung auf deren deutsche Volkszugehörigkeit in einem Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zugezogen.
Ethnische Polen als Adressaten eines Polnisch-Unterrichts gäbe es also etwa 750.000 in Deutschland.
Zudem ist der von Bildungsminister Przemyslaw Czarnek im Sejm erhobene Vorwurf, Deutschland leiste „0 Euro“ für die Förderung des Polnischunterrichtes ebenfalls unzutreffend: Die Bundesregierung unterstützt die polnischen Mitbürger unter selbstverständlicher Beachtung aller übernommenen Verpflichtungen. Die Sprachförderung erfolgt dabei auf Länderebene, weil in unserem föderalen System Bildung und damit auch Sprachförderung Ländersache ist.
Auch die Bundesländer sind „Deutschland“. Alleine in Nordrhein-Westfalen erhalten derzeit knapp 5.100 Schülerinnen und Schüler herkunftsprachigen Polnischunterricht in über 300 Lerngruppen, es gibt 45 Lehrkräfte und 36,5 Vollzeitstellen, so Thorsten Klute, ehem. Staatssekretär für Integration in NRW in einer aktuellen Stellungnahme. Weitere Angebote gibt es in anderen Bundesländern. Das ist nicht „null“.
Polen sollte diese bedauerliche Entscheidung, die sich gegen eigene Stastsbürger richtet, und die auf falschen Annahmen beruht, dringend revidieren. Gemeinsame Anliegen sollten in bestehenden Gesprächsformaten vor Negativentscheidungen zuerst konstruktiv erörtert werden, so wie Deutschland das bisher immer gemacht hat.
Verstöße Polens gegen ratifiziertes Recht des Europarates müssen Thema in der parlamentarischen Versammlung des Europarates und den dort zuständigen Ausschüssen werden.
Quelle: aussiedlerbeauftragter.de