-
21 Mrz 0
21-03-2019
Erklärung des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen zu einer vom Bildungsministerium geplanten Umgestaltung des Deutschunterrichts ab der 7. Schulklasse an Schulen mit minderheitensprachlichem Unterricht
Das Bildungswesen der nationalen Minderheiten, darunter der deutschen Minderheit, in der Nachkriegsgeschichte Polens entwickelt sich erst seit knapp dreißig Jahren. Bis zum vorigen Jahr gestattete das Bildungsministerium einen gleichzeitigen Unterricht des Deutschen als Minderheiten- und Fremdsprache. Die bis dahin verfolgte Praxis bewährte sich gut und fand allseitige Anerkennung. Sie ermöglichte es zudem, Bildungsrückstände aus der Zeit Volkspolens im Bereich der Kenntnis der Minderheitensprache Deutsch unter Schülern sukzessive nachzuholen. Bedauerlicherweise unternimmt das Ministerium seit letztem Jahr nun Schritte mit dem Ziel, den parallelen schulischen Deutschunterricht als Minderheitensprache und zweite Fremdsprache ab der 7. Klasse nicht mehr zuzulassen. Diese Maßnahme des Bildungsministeriums beruht ausschließlich auf einer Gesetzesauslegung der Ministerialabteilung für Allgemeinbildung und hat bereits im vergangenen Jahr eine große Verwirrung in den Schulen sowie Proteste bei der Deutschen Minderheit, bei Kommunen, Eltern und Lehrern ausgelöst. In manchen Schulen resultierte sie bereits mit einem Verlust für Schüler in Form einer verringerten Anzahl der Deutschstunden. Ähnliches droht auch in diesem Schuljahr. Der Organisationskalender des Schuljahres erfordert nun dringende Entscheidungen des Bildungsministeriums. Die drei Rechtsgutachten, die dem Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften vorliegen und noch im vorigen Jahr an das Ministerium weitergereicht wurden, stimmen darin überein, dass ein gleichzeitiger Deutschunterricht als Minderheiten- und Fremdsprache in den Klassen 7 und 8 rechtskonform ist. Besonders deutlich kommt dies im Gutachten des Büros für Sejm-Analysen zum Ausdruck: „Keine Regelung sieht vor, dass eine Minderheitensprache nicht gleichzeitig auch als neuzeitliche Fremdsprache unterrichtet werden darf. Mehr noch, die Ziele der Vermittlung dieser Sprachen, die Art und Weise des Unterrichts, ja sogar die jeweilige Programmgrundlage sind grundverschieden.” Die bisherige Praxis erlaubte einen Deutschunterricht von fünf Stunden wöchentlich. Nach den neuen Regeln müssen die Schüler nun entweder auf drei Stunden Deutsch als Minderheitensprache verzichten oder den Unterricht einer dritten Fremdsprache (neben Deutsch und Englisch) akzeptieren. Fraglich ist dabei nicht zuletzt der pädagogische Sinn eines Sprachunterrichts von Grund auf, dessen Fortführung auf der nächsten Bildungsstufe eher zweifelhaft ist.
In diesem Zusammenhang erwarten wir derzeit die Beibehaltung des mit geltendem Recht übereinstimmenden Zustands. Wir können nicht darin einwilligen, dass unser verfassungsmäßiges Recht auf „Freiheit der Erhaltung und Förderung der eigenen Sprache“ eingeschränkt wird, zumal dies keine Grundlage in gesetzlichen Regelungen findet. Wir wollen in den nächsten Monaten weitere Proteste, aber auch drohende Gerichtsprozesse vermeiden. Wir haben bereits mehrfach Anmerkungen zum jetzigen Stand des Bildungswesens für die deutsche Minderheit vorgebracht und erklären uns nach wie vor bereit zur Kooperation im Hinblick auf seine Verbesserung. Da die jetzige Veränderung jedoch einer Verschlechterung gleichkommt, müssen wir uns hierzu entsprechend positionieren. Wir hoffen nun auf eine für uns positive Entscheidung des Bildungsministeriums.
Bernard Gaida
Vorstandsvorsitzender des Verbandes