Verbrecher und Aggressoren. Über die Umstände, wie ist es heutzutage Deutscher in Polen zu sein

Verbrecher und Aggressoren. Über die Umstände, wie ist es heutzutage Deutscher in Polen zu sein

  • 21 Aug 0

21-08-2017

Verbrecher und Aggressoren. Über die Umstände, wie ist es heutzutage Deutscher in Polen zu sein, spricht der Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien

Niemand bestreitet die Haftung Deutschlands für den Krieg, niemand bestreitet die Opfer, die Polen und andere Nationen getragen haben. Wozu dann zu den offensichtlichen Tatsachen zurückkehren? Was ändert das hier und heute? – sagt Rafał Bartek im Gespräch mit der Zeitung „ Gazeta Wyborcza”

Piotr Guzik: Wie fühlen Sie sich jetzt in Polen?

Rafał Bartek*: Gut, obwohl ich mit Sorge die Richtung beobachte, in die sich unser Land bewegt.

Unser?

Ja, unser. Ich wurde ja hier geboren, hier lebten meine Vorfahren, hier zahle ich Steuer. Ja, ich habe eine andere Nationalität aber bin ja laut dem Polnischen Grundgesetz ein polnischer Staatsbürger mit allen Rechten und deshalb fühle ich mich als Mitglied dieser Bevölkerung. Mein Herz schlägt im gewissen Sinne auf beiden Seiten der Grenze. Ähnlich wie andere Mitglieder der Deutschen Minderheit will ich mich zugunsten der Entwicklung Polens engagieren weil eben hier unsere kleine Heimat ist. Obwohl ich schon manchmal von den Rückkehrern, die nach Polen aus Deutschland zurückgekehrt sind und begonnen haben hier Firmen zu führen gehört habe, dass Sie dies bereuen. Nicht nur aufgrund der nicht sicheren ökonomischen Lage aber auch deshalb weil Sie sich nicht erwünscht fühlen im Land, in dem Sie geboren wurden und groß geworden sind.

Für den Vizechef des Verteidigungsministeriums der Republik Polen Bartosz Kownacki seid Ihr „Nachkommen von Verbrechern”.

Ich dachte, dass wir drei-vier Generationen nach dem Kriege über solche Angelegenheiten nicht mehr sprechen werden. Wir führen derweil weiterhin einen Diskurs, der sich um die Kollektivverantwortung dreht. Und weder ich noch Minister Kownacki hatten keinen Einfluss darauf, was unsere Großväter gemacht haben. So wie unsere Vorfahren keinen Einfluss auf unsere derzeitige Entscheidungen haben.

Diese Hetzjagd ist übrigens ein Paradox. Weil wenn man nur auf die Weltanschauung guckt, dann hat die Partei PiS und die Deutsche Minderheit viel gemeinsam. Wir und auch sie sind konservativ. Ich kenne Mitglieder der Deutschen Minderheit, denen gefällt die Blockierung der homosexuellen Ehen in Polen, die vor einiger Zeit in Deutschland zugelassen wurden. Dieses Bild zerstört jedoch eine starke nationale Richtung der PiS, die mit dem Christentum nicht zusammen passt, das sich auf der Öffnung auf den Nächsten stützt, unabhängig davon, welcher Nation er ist.

Wem soll die antideutsche Rhetorik dienen?

Ich überlege selber seit einiger Zeit. Niemand bestreitet ja die Haftung Deutschlands für den Krieg, niemand bestreitet die Opfer, die Polen und andere Nationen getragen haben. Wozu also zu den offensichtlichen Angelegenheiten zurückkehren? Was ändert es hier und heute? Ich habe den Eindruck, dass es nur darum geht eine gewisse Vorstellung zu bekräftigen, dass der Deutsche ein Feind, Mörder und Aggressor ist. Sowie um Ablenkung von tatsächlichen Problemen, wie unerwartete Immigrationswelle, mit der wir gegenwärtig in der Welt zu tun haben und deren Lösung im Interesse von uns allen liegt. Es ist traurig, weil uns die jetzige Verwaltung neben den laufenden Ereignissen stellt.

Und es geht nicht um die Flüchtlinge. Ein paar Tage her gab es in Deutschland eine große Debatte über den Verbot der Dieselmotoren aufgrund deren Schädlichkeit für die Umwelt. Polen nimmt an solchen aktuellen Debatten nicht teil obwohl die Einführung eines solchen Verbots einen starken Einfluss auf unsere Wirtschaft haben würde. Die deutschen Konzerne stellen u.a. auch in Polen Fahrzeuge mit solchem Antrieb her.

Für die PiS Regierung ist wichtiger die Angelegenheit mit den Kriegsreparationen.

Es ist ein Thema, das bewegt und Aufmerksamkeit erweckt. Es kann davon zeugen, dass es mit der Wirtschaft nicht so rosig aussieht wie der Vizeministerpräsident Mateusz Morawiecki sagt. Habe neulich ein Kommentar des ehemaligen Finanzministers Prof. Jerzy Hausner gelesen, das gerade auf dieses Thema verwies. Ich habe mir dabei wiederum gedacht, dass die Angelegenheit mit den Reparationen auch in Griechenland hervor kam und gerade in diesem Zeitpunkt als es klar wurde, dass dieses Land große finanzielle Probleme hat.

Wir beenden 500+, weil die Deutschen uns in den 70 Jahren, die vergangen sind, das Geld für den Krieg nicht zurück gegeben haben” – es klingt unsinnig.

Jetzt ja, aber man kann nicht ausschließen, dass die Hervorhebung des Themas Reparationen, die Vorbereitung des Grunds eben für solche Interpretation ist. Es ist schließlich im Falle eventueller Probleme leichter die Schuld an die Deutschen zu schieben als eigene Fehler zu gestehen.

Machen Sie sich nicht Sorgen wegen der antideutschen Rhetorik?

Ich lese nicht oft Kommentare im Internet aber habe es getan als ich die Angelegenheit mit dem Gedenken des Warschauer Aufstandes von den Fußballfans von Legia Warschau beim Spiel gegen den Verein aus Kasachstan FK Astana kommentiert habe. Vom Dach hat man ein Tuch mit dem Bild eines erschrockenen Kindes geworfen, dem ein Wehrmachtssoldat eine Pistole an den Kopf stellt. Ich bestritt nicht die Tragödie sowie die Haftung der Deutschen für die Opfer des Aufstandes, habe aber festgestellt, dass dies ein Beispiel von unnötiger Mischung der Politik mit Sport ist.

Das, was ich später gelesen habe, war schrecklich. Es war Hetze und Provokation. Es hat keinen Sinn diese Wort zu zitieren. Ich habe jedoch den Eindruck, dass es sich vertieft. Und es ist Folge der Vernachlässigkeit der vorigen Jahre, in den man nicht entsprechend auf solche Kommentare reagiert hat. Die Verschärfung dieser Kommentare ist mit der Erlaubnis der gegenwärtigen Regierung aggressive Sprache zu verwenden und auf die immer größere Brutalität des politischen Diskurses, leichter zu durchführen. Das Beispiel kommt von oben und dort zählt vor allem ein scharfes und klares Wort. Es ist kein Weg, auf dem wir uns bewegen sollten. Heute sind es noch Worte, morgen können es schon Taten sein.

Die Regierung PiS achtet nicht auf die Anweisungen der EU und setzt die Fällarbeiten im Białowieża-Urwald fort. Sind Sie nicht besorgt, dass es ähnlich mit der Achtung der Minderheitenrechte wird?

Aber diese Rechte wurden schon gebrochen. Es ist bei der Vergrößerung der Stadt Oppeln passiert, als man über zehn Ortschaften aus vier benachbarten Gemeinden an die Stadt angeschlossen hat. Die Mehrheit von ihnen sind „Minderheitengemeinden”, was bedeutet, dass ein großer Teil deren Einwohner Mitglieder der Deutschen Minderheit sind. Das Europäische Recht, das von Polen ratifiziert wurde aber auch das Polnische Recht, macht eine Teilung der Administration ohne der Zustimmung der betroffenen Bevölkerung unmöglich, wenn deren Folge die Verletzung der Integrität sowie der Verlust durch seine Mitglieder ihnen zustehenden Rechte wird, z.B. auf die behördliche Bedienung in der Minderheitensprache. Obwohl wir dieses Argument mehrmals hervorgehoben haben und die Ergebnisse der Umfragen bei der Bevölkerung eindeutig waren, hat dies die PiS Regierung ignoriert und gab der Änderung der Grenzen der Stadt Oppeln das grüne Licht.

Wenn es um den Białowieża-Urwald geht da verursacht die Ignoranz der Regierung, dass das Gut der ganzen Bevölkerung zerstört wird. Wenn die Regierung gewisse Regulierungen für falsch hält, dann sollte sie in der Richtung deren Änderung wirken. Es ist ein langer Prozess weil man alle Mitgliedsstaaten von den Behauptungen überzeugen muss oder mindestens die Mehrheit, aber gerade aus diesem Grund sind wir in der Europäischen Union, um dies zu tun.

Die gegenwärtige Regierung umgeht jedoch diesen Schritt und setzt Polen bewusst auf Sanktionen der Europäischen Union aus. Die Regierung weiß eben, dass die Prozeduren, die mit den gerichtlichen Urteilen und der Vollstreckung verbunden sind, lange dauern. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Sanktionen erst die nächste Regierung bezahlen werden muss. Und ich denke, dass es eben so kalkuliert wurde – damit die Anderen die Haftung für die Entscheidungen derer tragen, die jetzt regieren.

Gehen wir in die Richtung des Austritts aus der Europäischen Union?

Noch nicht. Wir haben bis jetzt einen zu großen Gewinn davon, dass wir Mitglied der Europäischen Union sind. Aber ich mache mir Sorgen darüber was nach dem Jahre 2022 passiert wenn die Strömung der Zuschüsse aus der Europäischen Union nach Polen deutlich geringer wird. Vielleicht werden wir dann noch davon Gewinn haben aber er wird gering. Es kann sich dann herausstellen, dass die Werte der Europäischen Union – eine Gemeinschaft vieler Nationen zu sein, die Möglichkeit sich frei zu bewegen, berufliche Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedsstaat zu führen oder die Offenheit auf einen anderen Menschen sind uns egal und weniger wichtig als Geld. Das befürchte ich am meisten.

*Rafał Bartek – Lehrer, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien

Gazeta Wyborcza, den 9.08.2017

   

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